Was bleibt vom Clubhouse-Hype?

Natalie Henzgen | 04.12.2021 | Social Media

Zu Beginn des Jahres führte kein Weg vorbei an der Audio-only-App Clubhouse. Das Social-Media-Phänomen hatte auch große Teile der Immobilienwirtschaft in Aufruhr versetzt und lockte mit neuen kommunikativen Möglichkeiten. Die Idee ist simpel: Die App ermöglicht es Nutzern, wie bei einem Live-Podcast Gesprächen zu folgen, aber auch sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen. Dabei wird auf visuelle Eindrücke weitestgehend verzichtet – genauso wie auf eine Kommentar- oder Like-Funktion. Dieser reduktionistische Ansatz scheint gut anzukommen: die Nutzerzahl von Clubhouse ist im vergangenen Jahr bereits beachtlich gestiegen, und hier in Deutschland hat sich dieser Trend Anfang 2021 rasant fortgesetzt. Neben der Konzentration auf das Wesentliche – nämlich die Stimme eines Nutzers und die darüber transportierten Informationen, Ideen und Argumente – besticht das Format durch Einfachheit.

Die einfache Bedienung überzeugt

Der Austausch findet in Clubhouse über sogenannte Räume statt und die Nutzung soll möglichst intuitiv erfolgen. Jeder User kann den öffentlichen Räumen beitreten oder mit nur geringem Aufwand eigene Räume eröffnen. Auch bei geschlossenen Räumen, die man nur mit einer Einladung betreten kann, bleiben vorgegebene Strukturen überschaubar. Die Gäste gliedern sich in drei Gruppen: Moderatoren, Sprecher und Zuhörer. Moderatoren können die Diskussion leiten, indem sie User auf eine virtuelle „Bühne“ holen und sie so zu Sprechern machen. Umgekehrt können sie User auch wieder von der Bühne entfernen. Als Sprecher kann man Wortbeiträge leisten und sich damit aktiv an einer Diskussion beteiligen. Einfach nur hören, was es zu einem aktuellen Thema zu sagen gibt, ist auch möglich und wohl die Funktion, die am häufigsten von Nutzern in Anspruch genommen wird. Für Entscheider der Immobilienwirtschaft sind vor allem die ersten beiden Rollen von Interesse. Sie setzen zunehmend auf Clubhouse als Plattform, um die unternehmenseigenen Botschaften an die richtigen Zielgruppen zu vermitteln und sich nebenher einen möglichst innovativen Anstrich zu geben. Und dieser Plan geht bisweilen auf. Bekam man in der App zunächst Gespräche im Plauderton über Themen wie Homeoffice in Corona-Zeiten und Work-Life-Balance in der Immobilienwirtschaft zu hören, professionalisierte sich der Austausch zügig. Es fanden bereits spannende Diskussionsrunden wie der RealFutureTalk, der PropTech Lunch Break oder der Immobilien Community Talk von Nico Kramp, Gründer des Berliner Immobiliensoftwareherstellers Assetbird, statt. Themen wie Projektentwicklungen in Deutschland, Off-Market-Handel von Immobilien oder Projektentwicklung und Infrastruktur rückten in den Fokus und transformierten die Social-Media-App in eine qualitativ hochwertige Experten-Plattform. Zu hören war neben anderen branchenrelevanten Größen beispielsweise die IZ-Chefredakteurin Brigitte Mallmann-Bansa. Besonders die niedrigen Einstiegshürden und das unkomplizierte Handling wurden von Teilnehmern geschätzt und führten zu einer offenen und spontanen Gesprächskultur, die Raum für neue Impulse bot.

Die Kritik am Audio-Wunder 

Neben den großen Chancen, die das Social-Media-Format bietet, gibt es auch Kritikpunkte. Wie andere Plattformen ringt auch Clubhouse mit missbräuchlicher Verwendung durch Nutzer. Immer wieder wurde über Fälle von Hate-Speech und Belästigung in einzelnen Räumen berichtet, da der Betreiber nicht moderierend in Diskussionen eingegriffen hatte. Das Melden solcher Regelverstöße gestaltete sich zunächst schwierig aufgrund der Flüchtigkeit einzelner Wortbeiträge, die den Nachweis von Nutzer-Fehlverhalten so gut wie unmöglich machte. Clubhouse versucht diesem Problem entgegenzuwirken, indem nun Audio-Mitschnitte temporär gespeichert werden. Sollte ein Verstoß gegen die erst kürzlich in Kraft getretenen Community-Regeln gemeldet werden, können diese Mitschnitte entsprechend ausgewertet und unter Umständen eine strafrechtliche Ermittlung initiiert werden. Das birgt natürlich datenschutzrechtliche Risiken. Die traten bis vor Kurzem bereits bei der Installation der App auf: Um Einladungen an andere verschicken zu können, mussten Nutzer Clubhouse den Zugriff auf alle auf dem jeweiligen Smartphone gespeicherten Kontaktdaten erlauben. Diese Praxis war auf massive Kritik gestoßen. Mit einem Update der App ist der Kontaktzugriff für das Versenden von Invites nun nicht mehr notwendig. Trotzdem bleibt ein gewisses Unbehagen in datenschutzrechtlichen Fragen, das nicht zuletzt durch Hinweise, dass Clubhouse auf der chinesischen SaaS-Lösung Agora.io gründet, genährt wird. Mit einem Firmensitz im kalifornischen Santa Clara und einem im chinesischen Schanghai entzieht sich der Backend-Anbieter der europäischen Gesetzgebung. Hinzu kamen schnell Beschwerden auf über die durch den Betreiber forcierte künstliche Verknappung von Zugangsmöglichkeiten zu der Anwendung. Ausschließlich Apple-Nutzer können sich bisher die App herunterladen und einen Zugang zu Clubhouse-Räumen erhält nur, wer von einem der Gesprächsteilnehmer eingeladen wird.

 

Furioser Start – schnelles Ende?

Neben der Kritik an Clubhouse stellt sich die Frage: Wie nachhaltig kann sich die Audio-App in der Immobilienwirtschaft wirklich etablieren? Bereits jetzt ist ein leichtes Abflauen des Hypes bemerkbar. Kann das Format ähnlich wie Podcasts zu einem festen Bestandteil der Kommunikations- und Medienlandschaft werden? Eine Stärke des Formats – der spontane, interaktive Austausch der Nutzer – ist zugleich ein Handicap: Clubhouse-Diskussionen finden lediglich live statt. Wer zum gesetzten Zeitpunkt nicht teilnehmen kann, verpasst die Diskussion. In Zeiten des selbstbestimmten Nutzens von medialen Formaten (Streaming-Dienste vs. Live-TV) ist ein starres Programm ein Anachronismus. 

Nichtsdestotrotz gibt es erste Anzeichen einer Verfestigung des Audio-Trends. Im Sommer 2020 hatte Twitter bereits das Konzept der „Audio-Tweets“ gelauncht. Dabei werden Tweets nicht mehr nur schriftlich formuliert, sondern können auch als zeitlich limitierte Sprachnachricht generiert werden. Über diese zusätzliche Funktion hinaus soll es bald das neue Tool „Twitter Spaces“ geben. Dabei sollen User einen Audio-Space eröffnen und andere per Nachricht persönlich oder per öffentlichem Tweet einladen können. Anders als bei Clubhouse soll es bei Twitter für die Moderatoren der Diskussionen mehr Möglichkeiten geben, eingreifen zu können oder Teilnehmende zu blockieren. Nach Informationen der New York Times soll auch Facebook die Entwicklung einer Audio-Plattform in Betracht ziehen. Die Idee, sich über ein lineares Audio-Streaming auszutauschen und nebenher relevante Zielgruppen unkompliziert zu erreichen, wird uns wohl weiterhin begleiten und somit neue Anforderungen an die Kommunikationskompetenz von Unternehmen stellen. Auch Akteure innerhalb der Immobilienwirtschaft sollten diese Kompetenzen kontinuierlich weiter entwickeln, um die Chancen audiobasierter Formate für sich nutzbar zu machen. Ein übereiltes, wenig durchdachtes Aufspringen auf kurzfristige Trendbewegungen gilt es dabei ebenso zu vermeiden wie ein Verschlafen neuer kommunikativer Strömungen.