Das Ende von Twitter?

Maximilian Müller | 21.12.2022 | Social Media

„Let that sink in!“ – Mit diesem Wortwitz und einem Foto, auf dem er ein Waschbecken (engl.: sink) in die Twitter-Zentrale im Silicon Valley trug, kündigte der jetzt nun doch Twitter-Chef Elon Musk die Übernahme des Mikroblogging-Dienstes an.

Der Tesla-Chef und SpaceX-Gründer kündigte grundlegende Veränderungen und eine radikale Ausweitung der Meinungsfreiheit auf der Plattform an. Diese Bekanntgabe sowie das Versprechen, den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump auf der Plattform wieder zuzulassen, haben bei vielen Twitter-UserInnen für Aufsehen gesorgt und sie dazu gebracht, der Plattform den Rücken zuzukehren. Die Suche nach Alternativen hat begonnen.

Microblogging-Plattformen gibt es viele. Je nachdem, wie weit man die Definition fasst, fallen beinahe alle sozialen Netzwerke darunter. Was Twitter unter ihnen jedoch so einzigartig macht, ist die maximale Zeichenanzahl von 280 Zeichen pro Tweet. Wohl kein anderes soziales Medium steht daher so sehr für das „Micro“ in Microblogging wie Twitter.

Und genau nach diesem Aspekt sehnen sich NutzerInnen auf der Suche nach einer Alternative. Welche Plattformen einem ähnlichen Prinzip folgen und ob diese sich als ernstzunehmende Alternativen zu Twitter anbieten, wollen wir Ihnen in unserem Blog aufzeigen.

Mastodon

Die wohl bekannteste Twitter-Alternative ist Mastodon. Direkt nach der Übernahmeankündigung Musks kam es zu einer großen Welle an „Überläufern“ zu Mastodon. Mehrere Zehntausend neue Accounts meldeten sich an und auch die Anzahl der stündlichen Posts verdoppelte sich binnen weniger Tage.

Anders als Twitter ist das 2016 vom deutschen Programmierer Eugen Rochko ins Leben gerufene Mastodon dezentral organisiert. Im Gegensatz zu vielen anderen sozialen Medien besteht Mastodon also nicht aus einer zentral geleiteten Plattform, sondern aus einer Vielzahl von privat zur Verfügung gestellten Servern. Diese werden beispielsweise von Privatpersonen, Vereinen oder Unternehmen bereitgestellt.

Diese „Instanzen“ genannten Server sind jedoch auch einer der Nachteile von Mastodon, denn sie erschweren den Gebrauch. Des Weiteren gerät man durch sie auf Mastodon leicht in eine Bubble, aus der man so schnell nicht wieder rauskommt.

Außerdem steckt Mastodon noch merklich in den Kinderschuhen. So verzeichnet das Netzwerk, laut aktuellen Angaben der Mastodon Website, nur rund 5,9 Mio. aktive NutzerInnen (Stand: November 2022).

Die geringe Zahl an UserInnen hat jedoch auch eine positive Seite: Der Umgang untereinander ist für ein soziales Netzwerk erfrischend harmonisch. Zeichnen sich die Big-Player in den letzten Jahren vor allem durch Zynismus, Missgunst und teilweise sogar Hass aus, ist der Umgangston auf Mastodon bisher durchgehend freundlich. Dass Mastodon die derzeitige Lage nicht nutzt, um für sich zu werben, ist eben auch dem Umstand geschuldet, dass man Angst hat, dass sich dieses Netzklima durch zu viele ehemalige Twitter-NutzerInnen verschlechtert.

Counter Social

Die Angst vor den Twitter-Trollen gibt es auf einer weiteren Twitter-Alternative derweil nicht. Counter Social heißt das Open-Source-Projekt. Das Besondere an Counter Social ist dabei, wie rigoros das Netzwerk gegen Trolle, Hetze, Werbung oder Fake-News vorgeht. Dafür werden prinzipiell alle Accounts aus den Ländern blockiert, von denen nachweislich eine hohe Anzahl an Cyber-Angriffen ausgehen (Iran, Russland, China, Nord-Korea, Syrien und Pakistan). Außerdem monitort das Team von Counter Social das Internet minutiös, um auch die rund 100.000 Proxys zu sperren, über die Cyber-Attacken oftmals durchgeführt werden. Laut den FAQs des Netzwerks versuche man so die Gefahr einzudämmen, welche von sogenannten Troll-Fabriken ausgehe.

Counter Social existiert seit 2017 und wurde von einem in der Szene unter dem Pseudonym „The Jester“ (engl.: der Hofnarr) bekannten, amerikanischen Hacker ins Leben gerufen. Ähnlich wie bei Mastodon, können UserInnen auch auf Counter Social bis zu 500 Zeichen lange Nachrichten verschicken. Des Weiteren können Videokonferenzen durchgeführt und englischsprachigen Nachrichten-Feeds gefolgt werden. Eine Funktion, die für viele Twitter-NutzerInnen interessant sein könnte.

Auch Counter Social punktet mit seinem dezentralen Aufbau. Ist das Vorgehen gegen Trolle für einige potenzielle NutzerInnen ein Argument pro Counter Social, scheint jedoch der Ausschluss ausnahmslos aller NutzerInnen aus ausgewählten Ländern fast zu radikal, als dass Counter Social eine ernstzunehmende Alternative darstellen kann. Zeigen doch gerade die aktuellen Proteste in im Iran, welche wichtige demokratische Rolle die Sozialen Medien auch in diesen autoritären Regimen spielen können.

Hinzu kommt, dass auch Counter Social nicht sehr anwenderfreundlich ist und durch die große Menge an Informationen im Feed schnell unübersichtlich wird. Dennoch ist die Idee eines Troll- und Fake-News-freien sozialen Netzwerks sehr interessant und bietet einigen Twitter-Flüchtenden bestimmt eine legitime Alternative.

GNU social

Eine dritte Alternative bietet GNU social. Und auch dieses Netzwerk punktet mit dezentraler Organisation, bringt jedoch auch die gleichen Nachteile mit sich. So verlinken beispielsweise verwendete Hashtags nur Mitteilungen, die auf demselben Server veröffentlicht wurden. Seit 2010 existiert GNU social und besteht aus einer Sammlung von unabhängigen Servern (sog. Nodes). Diese Server sind in Gruppen unterteilt, denen die NutzerInnen beitreten können. Mitteilungen können dabei auf mehreren dieser Nodes gepostet werden.

Unterscheiden tut sich GNU social von den anderen Micro-Blogging-Diensten vor allem durch den Umfang der Posts. Die „Queets“ genannten Mitteilungen können bis zu 1024 Zeichen lang sein und bieten somit deutlich mehr Raum sich auszudrücken. Der eigene Newsfeed besteht dabei aus privaten Mitteilungen der eigenen Kontakte sowie den Posts aus den Gruppen, deren Mitglied man ist. Des Weiteren bietet GNU social die Option, auch Nachrichten von anderen Plattformen wie Mastodon, friendica oder auch Twitter zu sehen.

Minus

Die wohl außergewöhnlichste Alternative zu Twitter stellt das Netzwerk Minus dar. Das Projekt des amerikanischen Künstlers Ben Grosser ist ein radikaler Gegenentwurf zu allem, was aktuelle Kommunikation im Internet ausmacht. Belohnen beinahe alle Algorithmen besonders aktive UserInnen, hat Minus den Aspekt der Verknappung auf die Spitze getrieben.

100 Posts haben NutzerInnen zur Verfügung und die müssen für den Rest des Lebens – oder zumindest, solange man auf der Plattform angemeldet ist – ausreichen. Auch wenn Kommentare unter den Posts anderer UserInnen nicht begrenzt sind, ist die Prämisse von einer begrenzten Anzahl an Posts bis an das Lebensende durchaus spannend. Dabei folgt das Projekt der Annahme, dass Dinge nur durch Endlichkeit einen Wert erhalten und will somit weg von der oftmals belanglosen Social-Media-Kommunikation, die nur der Kommunikation wegen stattfindet.

Ben Grosser beschreibt das Projekt als einen Versuch, die „menschlichen Stimmen, Worte und Zeitlichkeit in den Vordergrund zu stellen“. Dieser Versuch der Entschleunigung wird durch das Weglassen von Like-Button, Benachrichtigungen und das minimalistische graue Design nur noch verstärkt.

Minus ist definitiv ein radikaler Gegenentwurf zu lauten und wuseligen sozialen Netzwerken wie Twitter. Als Alternative kann es jedoch nur bedingt betrachtet werden. Sind es doch gerade die vielstimmigen Dialoge und die Möglichkeit, sich zu allem zu äußern, die soziale Netzwerke attraktiv machen.