Der Journalismus ist tot!

Abgesang auf eine Institution – und Plädoyer für ihren digitalen Wiederaufstieg

Vom Wächter zur Ware

Was früher als vierte Gewalt die Mächtigen kontrollierte, ist heute oft ein Algorithmus-gesteuertes Produkt: Der Journalismus hat sich in den letzten zwanzig Jahren dramatisch verändert. Wo einst investigative Recherche und ethischer Kompass den Ton angaben, bestimmen heute Klickzahlen, Reichweite und virales Potenzial die Themenlage. Der Printjournalismus verlor seine Vormachtstellung, und Online-Medien passten sich an die neue Währung des digitalen Zeitalters an: Aufmerksamkeit. Zeitgleich kämpfen die Verlage noch immer mit dem Problem, wie sie ihr Produkt im Umfeld der Gratismentalität im Internet monetarisieren können. Wie überzeugt man Leserinnen und Leser davon ein Abo abzuschließen, wenn nur zwei Klicks weiter andere Plattformen Nachrichten kostenlos anbieten?

Social Media – Der Sargnagel der Autorität

Die Gatekeeper-Funktion der Redaktionen wurde durch die Timeline ersetzt. Plattformen wie Facebook, X und TikTok entscheiden, welche Inhalte sichtbar sind – nicht mehr die Chefredakteure. Dabei verlieren die wichtigen journalistischen Auswahlkriterien immer stärker an Bedeutung. Was zählt, ist nicht mehr die Richtigkeit, sondern die Reizbarkeit. Inhalte konkurrieren nicht mehr in Qualität, sondern im Empörungspotenzial und Betroffenheitspotenzial. Nur was Leserinnen und Leser emotional anspricht, wird noch geklickt und nur was geklickt wird, lässt sich zu Geld machen. Redaktionen stehen unter dem Druck, mitzuhalten – oder in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Gerade Lokalredaktionen kommen hier oft finanziell nicht mehr mit und schaffen es immer seltener, die hohen journalistischen Standards zu erfüllen.

Künstliche Intelligenz: Freund und Feind zugleich

Seit dem Durchbruch generativer KI wie ChatGPT, Bard oder Claude erleben wir den nächsten Paradigmenwechsel: Maschinen können nicht nur schreiben – sie analysieren, gliedern, interpretieren. Durch den immensen Effizienzgewinn hat sich die Zahl der im Internat veröffentlichten Artikel massiv erhöht. Es kam zu einer regelrechten Flutung des Internets von KI-generierten Texten. Dieser Entwicklung kann sich auch der Journalismus nicht entziehen. In Redaktionen wird KI heute für automatisierte Börsenberichte, Wettermeldungen oder Sportnachrichten eingesetzt. (Welche KI-Tools es gibt und was Sie dabei beachten sollten, erfahren Sie hier: https://ummen.com/chatgpt-chancen-risiken-der-ki/)

Doch wo Effizienz steigt, fehlt oft die redaktionelle Tiefe. Die Frage drängt sich auf: Wer trägt Verantwortung für Inhalte, die von Maschinen geschaffen wurden? Noch drängender: Wenn KI immer besser darin wird, „echten“ Journalismus zu imitieren – warum sollte ein Verlag dann noch teure Redakteure beschäftigen?

Ein Beruf im Umbruch

Der Journalismus ist nicht verschwunden – aber seine DNA hat sich verändert. In einer Welt, in der jeder beliebig senden kann, liegt der Wert nicht mehr nur im Informationszugang, sondern in der Einordnung, der Transparenz und dem Vertrauen.

Medienhäuser, die überleben wollen, müssen sich neu erfinden:

– Als Plattformen für Haltung

– Als Kuratoren statt bloßer Berichterstatter

– Als Verantwortungsträger in einer von Reiz überfluteten Öffentlichkeit

– Als Faktenchecker in der Flut der KI-generierten Texte

Der Qualitätsjournalismus wie wir ihn kennen ist tot – und das ist eine Warnung

Der Journalismus als Institution ist nicht verschwunden – aber er hat seine Form radikal verändert. Was früher ein Beruf und auch Berufung war, ist heute oft ein Geschäftsmodell, ein Algorithmus, ein Format. Glaubwürdigkeit muss heute neu erkämpft werden – nicht durch Lautstärke, sondern durch Transparenz, Tiefe und Haltung.

Künstliche Intelligenz kann den Journalismus bereichern – als Werkzeug. Aber sie darf ihn nicht ersetzen – als Gewissen. Die Zukunft gehört jenen Redaktionen, die Technologie intelligent nutzen, aber der Wahrheit verpflichtet bleiben.

Es kann also festgehalten werden:

Der Journalismus ist tot – es lebe der Journalismus, in neuer Gestalt, mit neuen Regeln. Doch seine Seele, seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, darf nicht dem Fortschritt geopfert werden. Denn ohne wachsame Berichterstattung stirbt mehr als nur eine Branche. Dann stirbt die Demokratie. Leider ist dies in dem einen oder anderen Land längst zu beobachten.