Greenwashing in der Immobilienwirtschaft – Earth Day 2024
Vanessa Conrad | 22.04.2024 | ESG
Nachhaltigkeit ist für die Immobilienwirtschaft schon lange kein Fremdwort mehr. Nicht verwunderlich also, dass sich immer mehr Unternehmen in der Branche damit auseinandersetzen. Immerhin ist der Gebäudesektor allein für rund 36% der CO2-Emissionen innerhalb der EU verantwortlich(Umweltbundesamt, 2013). Doch bei dem Versuch, sich nachhaltig einzusetzen, tappen viele in eine Falle: dem Greenwashing. In diesem Blogbeitrag wollen wir einmal genau darauf eingehen, was genau ist Greenwashing eigentlich und welche Formen gibt es? Das grobe Konzept wird den Meisten vermutlich geläufig sein, aber Greenwashing umfasst oft mehr, als man auf den ersten Blick denkt. Zum Abschluss wollen wir noch einmal ESG als Lösungsansatz betrachten.
Was ist Greenwashing eigentlich?
Bereits in den 1980ern wurde Greenwashing definiert als “zwei Arten [um] Unternehmensverhalten zu beschreiben: erstens Firmen, die sich die guten Nachrichten herauspicken (und/oder die schlechten Nachrichten ignorieren), und zweitens Firmen, die über ihre Produkte und/oder Tätigkeiten täuschen oder lügen”.
Greenwashing heißt also nicht immer nur lügen, sondern eben auch schlechte Nachrichten (im Hinblick auf Umwelt und Soziales) bewusst nicht zu kommunizieren. Damit einem genau das nicht passiert, gibt es die “Six Sins of Greenwashing”, die es zu vermeiden gilt.
“Six Sins of Greenwashing”
Zwei der “Sünden” hatten wir bereits erwähnt. Zum einen die versteckten Kompromisse, bei denen man nur die guten Nachrichten hervorhebt und dabei „vergisst“, die vielleicht nicht ganz so positiven Effekte auch zu erwähnen (z.B. Holzpaneele, bestimmte Bodenbeläge, Vliesisolierung etc.). Ebenfalls bereits besprochen sind die falschen Behauptungen und Lügen, welche oft erwähnt werden, um das Unternehmen in besserem Licht dastehen zu lassen, ohne sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen. Ähnlich verheerend wie falsche Behauptungen aufzustellen, ist es, Aussagen zu treffen, ohne entsprechende Beweise vorlegen zu können (z.B. energiesparende Lampen ohne Zertifizierung aufzuführen). Damit zu prahlen, dass ein bestimmtes Produkt/Gebäude etwas nicht besitzt, obwohl dies vielleicht schon gesetzlich verboten ist, fällt unter den Punkt Irrelevanz (z.B. damit zu werben, keinen Asbest zu verwenden). Eine weitere Sünde ist die Ungenauigkeit, also die Kommunikation irreführender Produktversprechen (z.B. “chemiefrei” – selbst Wasser ist im Grunde Chemie). Die letzte Sünde ist, sich für das kleinere von zwei Übeln zu entscheiden (z.B. recyceltes Holz verwenden, was schneller wieder ersetzt werden muss und so langfristig keine gute Alternative bietet), anstatt nachhaltige und langfristige Lösungen auszuwählen.
ESG als Lösungsansatz für die Immobilienbranche
Trotz all dieser Fallstricke hat das Thema Nachhaltigkeit im gesellschaftlichen wie auch wirtschaftlichen Diskurs einen hohen Stellenwert. In der Immobilienwirtschaft spiegelt sich das in den beinahe alltäglichen Diskussionen zum Thema ESG wider. Also den Überlegungen, wie wir den gesamten Immobiliensektor nachhaltiger in Sachen Ökologie (E), Soziales (S) und Governance (G) gestalten können.
Da es aktuell noch an konkreten gesetzlichen Vorgaben mangelt, ist die Immobilienwirtschaft bei der Definition davon, was nachhaltig ist und was nicht, sich momentan noch selbst überlassen. Durch dieses Vorgehen soll nicht nur eine Verzögerung durch langwierige legislative Prozesse verhindert, sondern auch die Expertise derjenigen berücksichtigt werden, die sich mit dem Thema jeden Tag beruflich auseinandersetzen. So soll eben auch vorgebeugt werden, dass fachfremde Technokraten darüber entscheiden, welche Maßnahmen machbar oder sinnvoll sind.
Auch wenn der Grundgedanke dahinter nachvollziehbar und zu begrüßen ist, birgt das einige Gefahren, wie auch die aktuelle Debatte über die brancheneigenen ESG-Zertifikate zeigt.
In dieser sehen einige Marktkenner gefährliche Silobildungen: Projektentwickler entwickeln mit anderen Projektentwicklern ein Zertifikat, die Wohnungswirtschaftler innerhalb der Wohnungswirtschaft, Logistiker zusammen mit anderen Logistikern. In diesem Vorgehen droht eine gewisse Betriebsblindheit. Einheitliche Standards, die für die gesamte Branche gelten, sind so nur schwer zu ermitteln und schaden auch der Aussagekraft der Zertifikate. In der Endkonsequenz führt das oft dazu, dass Käufer:innen erwarten, dass ihre Immobilie zertifiziert ist. Ob das dann jedoch Taxonomiekonformität des Objekts ausdrückt, ist den meisten nicht bewusst. Der Gefahr von Greenwashing wird so also nicht vorgebeugt.
Dass vor allem die Immobilienwirtschaft etwas für mehr Nachhaltigkeit tun muss, bezweifelt niemand. Auch im vergangenen Jahr verpasste der Immobiliensektor seine Klimaziele und ist damit neben der Automobilindustrie der einzige, der zum wiederholten Mal ein schlechtes Zeugnis der Bundesregierung erhält.
Und auch wenn sich die Branche noch immer zu langsam in Richtung Klimaneutralität bewegt, zeigen das Entstehen der verschiedenen ESG-Zertifikate sowie der neuerliche Diskurs über deren Wirkung, dass die Branche den Ernst der Lage verstanden hat. So entstehen immer mehr Unternehmen, die die Gunst der Stunde nutzen und die Transformation zu einer klimaneutralen Immobilienwirtschaft vorantreiben. Innovative Cradle-2-Cradle-Ansätze, die Entwicklung alternativer Baustoffe, eine Abkehr vom Gas sowie klimafreundliche Bestandssanierung sind dabei Schritte in die richtige Richtung.